Foto des Christus-Gemeindehauses
Foto der Friedenskirche
Foto der Lutherkirche
Logo der Gemeinde

Evangelische Emmaus-Kirchengemeinde Senne

Image by falco from Pixabay

Liebe Christinnen und Christen in der Senne.

Ich kann mich noch gut an eine lebhafte Frauenhilfsstunde in meiner alten Gemeinde erinnern. Einmal im Jahr kam ein Presbyter zu uns. Er war Professor für Germanistik und erzählte Märchen. Das war immer etwas Besonderes. Er erzählte sie auswendig. An jenem Nachmittag standen Aschenputtel und Schneewittchen auf dem Programm.

Sie erinnern sich gewiss: Aschenputtel musste von morgen bis abends im Kittel arbeiten. Ihre stolzen Schwestern gingen derweil zum Tanzen. Doch am Ende des Märchens heiratete Aschenputtel den Königssohn.

Oder Schneewittchen. Sie führt den sieben Zwergen den Haushalt. Hier fühlte sie sich sicher. Doch ihre böse, neidische und hochmütige Stiefmutter verfolgte sie weiter. Und am Ende bekommt Schneewittchen den Königssohn und die böse Stiefmutter stirbt beim Hochzeitsfest.

Am Ende gewinnen die Demütigen, so erzählen es die Märchen. Und sie haben uns geprägt.

Als unser Märchenerzähler zum Ende kam, schloss sich ein Gespräch im Kreis an. Eine ältere Dame war sehr aufgebracht. „Wie im wirklichen Leben“, sagte sie. „Wir Frauen müssen demütig sein, fleißig, ordentlich, arbeiten, ohne zu klagen“. Oft über Jahre hinweg. „Ich kann es einfach nicht mehr hören“. Als Krankenschwester habe ich viele Jahre gearbeitet. Oft wurde ich ausgenutzt, klein gemacht. Ich weiß noch genau, dass sie am Ende sagte: „Wir durften dienen, aber nicht ver- dienen“. Eine lange Diskussion schloss sich an.

Daran erinnerte ich mich, als ich den Wochenspruch für die kommende Woche las: Gott widersteht den Hochmütigen, aber den Demütigen gibt er Gnade. (1.Petrus 5,5b)

Das Wort Demut hat bei uns keinen guten Klang. Es wurde oft missbraucht, bis dahin, dass Menschen ihr Recht vorenthalten wurde - manchmal sollte das gar noch fromm sein. Ich kann verstehen, dass sich gerade Frauen, die das erlebt haben, sich heute wehren. Lange Jahre wurde von Frauen erwartet, freundlich, brav und nachgiebig zu sein. Sie waren „zum Dienen“ geboren.

In der Bibel hat das Wort „Demut“ einen anderen Sinn. Er geht um Demut vor Gott. Demut, das ist nicht Unterwürfigkeit. Die ist berechnend. Das will Gott nicht. Im Gegenteil. Auch als Christinnen und Christen müssen wir uns nicht alles gefallen lassen- in Demut. Nein. Demut meint im biblischen Kontext: Ich bin auf Gott angewiesen. Von seiner Gnade, von seiner liebevollen Zuwendung lebe ich. Das macht gelassen und demütig, aber nicht unterwürfig. Demut vor Gott meint, dass ich alles, was mir passiert, mich bedrückt oder mich unglücklich macht, vertrauensvoll in Gottes Hände legen darf. Demut vor Gott meint, dass ich mich ganz auf ihn verlasse. Meine Kräfte haben Grenzen. Manches gelingt mir nicht. Doch Gott hält zu mir und daran halte ich mich.

Das macht mich, das macht uns stark. Aber wir leben nicht mehr in biblischen Zeiten. Wir leben in einer Leistungsgesellschaft. Das merken wir jeden Tag. Wenn es eine Sportlerin oder ein Sportler bei den olympischen Spielen nur auf den vierten Platz geschafft hat, lautet die erste Frage des Reporters: „woran lag es“? Es zählt nur noch der Erfolg: Schneller, höher, weiter. Doch wirklich weiter sind wir damit nicht gekommen. Die Klimakatastrophe hat uns fest im Griff. Hochwasserkatastrophen und Waldbrände beschäftigen uns. Vieles ist hausgemacht. Sind wir zu hochmütig geworden? Meinen wir nicht, alles im Griff zu haben, alles kontrollieren zu können? Fehlt uns nicht hier und da die Demut, die Demut vor Gott, vor seiner erhaltenswerten, guten Schöpfung?

Mag sein, dass Demut einen schlechten Klang hat. Das Wort wurde zu oft missverstanden. Ich wünsche mir, dass wir es wieder so verstehen, wie Gott es gemeint hat. Den Demütigen gibt Gott Gnade. Denen, die von Gott Hilfe, Zuspruch und Ermutigung erwarten, wird er reichlich geben. Vor Gott zählen nicht die Erfolge oder Leistungen und Errungenschaft. Vor Gott zählt, dass wir uns ganz auf ihn verlassen, ihm vertrauen und an ihn glauben.

So kann ich mit dem biblischen Wort Demut leben und arbeiten. Ganz im Vertrauen auf Gott. Gebe er uns allen dazu das Wollen und das Vollbringen.

Amen.

Es grüßt sie herzlichst
Ihre Sigrid Fillies-Reuter

Die Jahreslosung 2024

Alles, was ihr tut, geschehe in Liebe.

1. Korinther 16,14