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Evangelische Emmaus-Kirchengemeinde Senne

Andacht zum Sonntag Reminiszere

Liebe Christinnen und Christen in der Senne,

anfangs hatten sie sich am Telefon noch gut unterhalten, die beiden langjährigen Freundinnen. Beide berichteten von der letzten Zeit, von Freud und Leid. Nach einiger Zeit kippte jedoch die Stimmung. Es ging eigentlich nur um eine Kleinigkeit, die das sonst vertrauensvolle Gespräch störte. Doch dann gab ein Wort das andere. Das Gespräch wurde gereizter. Nach einigem Hin und Her beendeten sie schließlich das Telefonat. Wut, Trauer, Enttäuschung erfüllten beide. Funkstille trat ein. Keine traute sich so recht, die andere anzurufen, Missstände und Meinungsverschiedenheiten zu klären. Ihre Freundschaft drohte auseinander zu brechen. Schade. Waren sie doch über Jahre hinweg füreinander da, hatten sich begleitend und helfend zur Seite gestanden.

Ein Lied des Propheten Jesaja wird uns heute vorgelesen. Es steht im 5. Kapitel seines Buches, in den Versen 1-7. Es ist viel älter als 2000 Jahre, aber es passt in jede Zeit – auch in unsere – als Predigttext für den Sonntag Reminiszere. Es ist ja immer dasselbe Lied in dieser verwirrten Welt: Ein schöner Anfang, eine böse Entwicklung und ein schlimmes Ende. Wir kennen die Melodie.

Jesaja trägt ein Lied seines Freundes vor und dieser Freund ist kein Geringerer als Gott selbst. Dieser Freund hat einen Weinberg, und dieser Weinberg ist das Volk Israel. Freundlich und gewinnend fängt das Lied an, damit es die Aufmerksamkeit des Zuhörers weckt. Die liebevolle Fürsorge Gottes in der Geschichte des Volkes Israel wird geschildert.

Hören wir die ersten Verse:

„Wohlan, ich will von meinem lieben Freunde singen, ein Lied von meinem Freund und seinem Weinberg. Mein Freund hatte einen Weinberg auf einer fetten Höhe.
Und er grub ihn um und entsteinte ihn und pflanzte darin edle Reben. Er baute auch einen Turm darin und grub eine Kelter und wartete darauf, dass er gute Trauben brächte“.

Gute Rebpflanzen werden da zunächst in guten Boden gesteckt. Vielleicht dachten die ersten Zuhörer an die Anfänge Gottes mit ihnen. An Abraham und Sarah, die glaubend, unter dem besonderen Schutz und Segen in das Land zogen, das Gott ihnen zugedacht hatte. Andere erinnerten sich an den späteren Auszug aus der Sklaverei in Ägypten unter Gottes Schutz und Geleit in das Gelobte Land, an die Zehn Gebote, die das Miteinander gelingen lassen und vielleicht auch an den Tempel, der alle daran erinnerte, dass Gott ihnen nahe ist. Und so wurden alle, die glaubten und auf Gottes Wort hörten, zum Weinberg, in welchem Gott gute Früchte von allen Menschen erhoffte. Der Boden war bereit.

Doch, nach vielen Jahren, so singt Jesaja weiter, fand der Herr des Weinbergs die guten Früchte nicht, die er sich erhofft hatte. Statt Guttat fand er Bluttat, statt Rechtsspruch fand er Rechtsbruch, so heißt es in einem eindrücklichen Wortspiel.

So heißt es in den letzten Versen:
„Des Herrn Zebaoth Weinberg aber ist das Haus Israel und die Männer Judas seine Bepflanzung, an der sein Herz hing.
Er wartete auf Rechtsspruch, siehe, da war Rechtsbruch, auf Gerechtigkeit, und siehe, da war Geschrei über Schlechtigkeit“.

Einige Verse weiter wird das sehr deutlich gesagt, worum es geht: da wird unter den Menschen Gottes gestohlen und betrogen; da wird bestochen und erpresst, da wird das Recht gebeugt für den eigenen Vorteil; da herrschen Hochmut und Überheblichkeit, Eigennutz und Menschenverachtung. So etwas wie Menschlichkeit, ein soziales Gewissen, Verantwortung für den Schwächeren wird immer seltener.

Jesaja spricht es deutlich aus: Saure Trauben gedeihen in diesem so sorgsam gepflegten Weinberg. Trotz aller Fürsorge, trotz aller Pflege will sich kein positiver Ertrag einstellen. Süße Trauben wären – um im Bild zu bleiben – Gerechtigkeit und Wohlergehen für alle geliebten Kinder Gottes.

Und dann singt Jesaja von einem sehr leidenschaftlichen Gott. Durch Jesaja lässt Gott mitteilen: “Nun, ich will euch zeigen, was ich mit meinem Weinberg tun will“. Bedrohlich klingen diese Worte und die Folgen sind es auch: von dem einst mit viel Liebe und Mühe angelegten Weinberg bleibt nichts. Er wird wüst, kahl, zertreten, Dornen und Disteln wachsen, dürres, fruchtloses Land bleibt übrig.

Wie hören wir die Worte heute? Nur selten erleben wir einen so zornigen Gott und doch hat die Rede vom zornigen Gott ihr Recht. Damals wie heute. Oder?

Wie steht es mit der Gerechtigkeit bei uns? Mit dem sozialen Frieden? Sind wir fruchtbare Reben geworden?

Ich glaube, dass die finstere Rede unseres Propheten uns zum Nachdenken bringen will. Denn durch die Rede des zornigen Gottes schimmert immer noch die Liebe zu den Benachteiligten durch. Sie wirbt um die Mitleidenschaft der Hörer, wirbt um ihre Bereitschaft für Recht und Gerechtigkeit einzutreten. Schon bei Jesaja spüren wir: Dieses Ende ist nicht das Ende der Liebe Gottes zu seinen Menschen, sondern ein Aufruf neu anzufangen.

Als Christinnen und Christen glauben wir, dass Gott in Jesus einen neuen Anfang gemacht hat. Mit uns. Nicht weil wir so friedvoll, fromm und gerecht wären, sondern weil es Gottes Wille war. Wenn wir im Bild des Jesaja bleiben, dann hat Gott einen neuen, unzerstörbaren Weingarten angelegt. Durch Jesu Leben, durch seine Hinwendung zu den Notleidenden und an den Rand Gedrängten, durch seinen Tod am Kreuz, durch seine Auferweckung zu Ostern. Uns zur Hoffnung, dass uns von Gottes Liebe nichts mehr trennen kann. Wir sind frei, vor allem, um gute und saftige Früchte zu bringen. Soweit es in unserer Macht steht. Gottes Herz, seine Liebe hängt auch an uns. Tun wir doch das Unsrige dazu.

So, wie die beiden Freundinnen, die nach langer Zeit ihre Missverständnisse besprachen und bereinigten. Und gerade dadurch ihre Freundschaft mehr gefestigt haben. Auf einmal hatten sie noch mehr voneinander verstanden – warum sollte es bei Gott anders sein?
Amen.

Gebet

          Herr, du kommst zu uns mit deinem Wort.
          Hilf uns, dass wir deine Liebe verstehen.
          Lass uns nicht hilflos deinem Leid und
          dem Leid der Menschen um uns gegenüberstehen,
          sondern schenke uns das Zuhören und Mitgehen,
          das den Menschen hilft und unseren Glauben stärkt.
          Amen.

Sie können sich hier den Andachtstext anhören, gesprochen von Pfr.in Fillies-Reuter

Die Jahreslosung 2024

Alles, was ihr tut, geschehe in Liebe.

1. Korinther 16,14