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Evangelische Emmaus-Kirchengemeinde Senne

Andacht zum Sonntag Estomihi

Liebe Christinnen und Christen in der Senne,

mit dem Aschermittwoch beginnt die vierzigtägige Bußzeit zur Vorbereitung auf die Osterfeier. Und dazu gehört auch das Fasten. Fasten, Verzicht. Wie nähern wir uns diesem Thema? In den letzten Monaten haben wir ein Fasten hinter uns, dass eine kraftanstrengende Herausforderung war: verzichtet haben wir auf menschliche Beziehungen und Begegnungen.

Hautnah habe ich das am Montag erlebt. Durch den starken Schneefall brauchte ich ein Taxi. Das kam auch, aber der mir bekannte Fahrer war außer sich. Er schimpfte, war wütend über die Autos, die kreuz und quer auf der Straße standen und dass sein Taxi durch den Eisregen fast in ein anderes Auto am Bürgersteig gerutscht wäre. Ich war auch erschrocken, denn ich wollte unbedingt einen wichtigen Termin wahrnehmen, hatte mich schon auf die Begegnung gefreut. Was sollte ich tun? Verzichten?

Und nun hören wir die Worte des alttestamentlichen Propheten Jesaja für den Sonntag Estomihi aus dem 58. Kapitel. In den Versen 5+7 heißt es: „soll das ein Fasten sein, an dem ich Gefallen habe, ein Tag, an dem man sich kasteit oder seinen Kopf hängen lässt wie ein Schilf oder in Sack und Asche sich bettet?
Gib frei, die du bedrückst, reiß das Joch weg! Heißt das nicht: Brich mit dem Hungrigen dein Brot, und die im Elend ohne Obdach sind, führe ins Haus! Wenn du einen nackt siehst, so kleide ihn, und entzieh dich nicht deinem Fleisch und Blut.“

Entzieh Dich nicht. Am liebsten möchte ich mit Jesaja ins Gespräch kommen:  Oh Jesaja, wenn Du wüsstest: seit Wochen wechseln wir den Bürgersteig, wenn uns jemand zu nahe kommt, achten beim Einkaufen im Supermarkt auf den nötigen Abstand zum Nächsten. Viele kämpfen um ihr Überleben. Tafeln und Kleiderkammern haben weitestgehend geschlossen.  Das Brot brechen wir nur noch am Esstisch, seit Monaten dürfen wir kein Abendmahl mehr feiern.

Was für ein Fasten in diesem Jahr? Verzichten wir denn nicht schon genug? Damit wir die Pandemie endlich überwinden und alle Menschen wieder zu einem normalen Alltag zurückkehren können. Aber, lieber Jesaja, ich will nicht klagen, sondern tun, was notwendig ist, um die Not zu wenden.

Ich weiß: Fasten liegt im Trend. Heilfasten, Wasserfasten, Teefasten und ganz neu ist das interessante Intervallfasten. Und natürlich die Fastenaktion der evangelischen Kirche: „7 Wochen ohne“, die in diesem Jahr die Überschrift trägt „7 Wochen ohne Blockaden“. Auch spannend, wenn wir eingeladen werden, wieder einmal die Leichtigkeit des Lebens in den Blick zu nehmen.

Ich glaube, dass Du, lieber Jesaja, dieses Fasten aber nicht gemeint hast. Denn damals, zu Deiner Zeit, war das Volk Israel aus der babylonischen Gefangenschaft wieder zurück in die Heimat gekehrt. Endlich. Aber schon bald zeigte sich, dass die alten Verhältnisse wieder einkehrten: die Armen wurden immer ärmer und die Reichen immer reicher. Ja, man fastete, ging in Schutt und Asche, kasteite sich, aber war nicht mit Leib und Seele, mit dem Herzen und dem Glauben dabei. Es war kein Fasten aus der inneren Überzeugung, die zur Umkehr führte. Mehr eine äußerliche religiöse Handlung.

Dagegen spricht sich unser Prophet Jesaja sehr deutlich im Namen Gottes gegen bloße Äußerlichkeiten aus. Denn Gott geht es um den gerechten Ausgleich, um Gerechtigkeit und Befreiung. „Brich mit dem Hungrigen Dein Brot“. In diesem kurzen Satz steckt eigentlich alles, was Gott von uns erwartet.

Wir alle kennen Menschen, die in der Einsamkeit nach Aufmerksamkeit hungern. Die dankbar sind für ein gutes Wort, liebevolle Zuwendung am Telefon. Trotz Maske können wir dem Nächsten ein Lächeln schenken und ihm so zeigen, dass wir uns über ihn freuen. Manchmal tut ein guter Rat oder ein wenig Lebensweisheit auch gut, zeigt neue Wege auf. Manchmal fehlt es tatsächlich an Brot, Milch, Butter oder Eiern. Oder an unserm Gebet. Wenn wir uns aufmerksam und wohlwollend begegnen, dann merken wir auch, was dem Nächsten fehlt. Und überall, wo das geschieht, nehmen wir uns zurück und den anderen in den Blick.

Nun verstehe ich, lieber Jesaja. Du zeigst uns den rechten Weg durch die Fastenzeit. Wir leben in einer Gemeinschaft, die trägt. So will ich nicht mehr jammern oder klagen, sondern den anderen, der meine Zuwendung, meine Aufmerksamkeit, meine liebevolle und mitfühlende Hilfe braucht, in den Blick nehmen. Das ist ein Gott wohlgefälliger Weg, trotz aller Einschränkungen. Einander liebevoll zu begegnen. Mit Herzen, Mund und Händen. Dazu fällt uns allen sicher eine Menge ein. Denn Gott handelt auf Erden durch unsere Herzen und Hände. Die Hinwendung zum Nächsten lässt uns Gottes Nähe wieder erleben. Das ist die Zukunft, in die der Prophet Jesaja erwartet. Ein Lichtblick, der Aussichten neu eröffnet. Denn, so schreibt er am Ende: „dann wird dein Licht hervorbrechen wie die Morgenröte, und deine Heilung wird schnell voranschreiten, und deine Gerechtigkeit wird vor dir hergehen, und die Herrlichkeit des HERRN wird deinen Zug beschließen. Dann wirst du rufen und der HERR wird dir antworten. Wenn du schreist, wird er sagen: Siehe, hier bin ich.“

Ach ja, meine Taxifahrt habe ich nicht angetreten. Beruhigend und verständnisvoll habe ich mit dem Fahrer geredet. Er war vollkommen übermüdet und dementsprechend auch gereizt. Ich habe ihn kurzerhand nach Hause geschickt mit dem Wunsch, dass er gesund ankommt und sich ausruht. Ich hatte auch Sorge, dass er um meinetwillen den gefährlichen, spiegelglatten Weg doch antritt und sich in Gefahr begibt. Er hat meinen Rat angenommen. Und sich bedankt.

Ich habe dann meinem Termin telefonisch wahrgenommen. Es war ein gutes, einfühlsames und verständnisvolle Gespräch.

In diesem Sinn wünsche ich uns allen eine hoffnungsvolle Fastenzeit. Eine Zeit, in der wir denen Zuwendung schenken, die sie brauchen und darauf hoffen und bekommen.

Ihre Sigrid Fillies-Reuter

Sie können sich hier den Andachtstext anhören, gesprochen von Pfr.in Fillies-Reuter

Die Jahreslosung 2024

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1. Korinther 16,14