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Evangelische Emmaus-Kirchengemeinde Senne

Andacht zum 1. Sonntag nach Trinitatis

Photo by Aaron Lee on Unsplash

Liebe Christinnen und Christen in der Senne,

manche biblischen Geschichten sind wie ein Stoppschild.
Ein Schild, das auf Abgründe hinweist und sagt: Halt. Bis hierhin und nicht weiter, sonst fällst Du hinunter.
Jesus erzählt so eine Geschichte: Du denkst, du bist der Gewinner. Aber am Ende hast du alles verloren, wenn du dein eigenes Glück und dein Wohlergehen über alles stellst.
Diese Geschichte spielt zum großen Teil im Jenseits und zielt doch ganz auf uns im Diesseits dieser Welt. Sie steht im Lukasevangelium im 16. Kapitel:

»Einst lebte ein reicher Mann. Er trug einen Purpurmantel und Kleider aus feinstem Leinen.
Tag für Tag genoss er das Leben in vollen Zügen.
Aber vor dem Tor seines Hauses lag ein armer Mann, der Lazarus hieß. Sein Körper war voller Geschwüre. Er wollte seinen Hunger mit den Resten vom Tisch des Reichen stillen. Aber es kamen nur die Hunde und leckten an seinen Geschwüren.
Dann starb der arme Mann, und die Engel trugen ihn in Abrahams Schoß.
Auch der Reiche starb und wurde begraben. Im Totenreich litt er große Qualen. Als er aufblickte, sah er in weiter Ferne Abraham und Lazarus an seiner Seite. Da schrie er: ›Vater Abraham, hab Erbarmen mit mir! Bitte schick Lazarus, damit er seine Fingerspitze ins Wasser taucht und meine Zunge kühlt. Ich leide schrecklich in diesem Feuer!‹
Doch Abraham antwortete: ›Kind, erinnere dich: Du hast deinen Anteil an Gutem schon im Leben bekommen – genauso wie Lazarus seinen Anteil an Schlimmem. Dafür findet er jetzt hier Trost, du aber leidest. Außerdem liegt zwischen uns und euch ein tiefer Abgrund. Selbst wenn jemand wollte, könnte er von hier nicht zu euch hinübergehen. Genauso kann keiner von dort zu uns herüberkommen.‹
Da sagte der Reiche: ›So bitte ich dich, Vater: Schick Lazarus doch wenigstens zu meiner Familie. Ich habe fünf Brüder. Lazarus soll sie warnen, damit sie nicht auch an diesen Ort der Qual kommen!‹ Aber Abraham antwortete: ›Sie haben doch Mose und die Propheten: Auf die sollen sie hören!‹ Der Reiche erwiderte: ›Nein, Vater Abraham! Nur wenn einer von den Toten zu ihnen kommt, werden sie ihr Leben ändern.‹ Doch Abraham antwortete: ›Wenn sie auf Mose und die Propheten nicht hören – dann wird es sie auch nicht überzeugen, wenn jemand von den Toten aufersteht.‹«

BasisBibel, © 2021 Deutsche Bibelgesellschaft, Stuttgart

Sympathisch ist der Reiche zu seinen Lebzeiten nicht.
Aber sein Verhalten verstehe ich. Bei ihm ist es sauber, gepflegt, es riecht gut – ein Ort zum Wohlfühlen. Der Arme ist dreckig, voller eiternder Wunden, die notdürftig unter Lumpen verborgen sind, und stinkt. Es ist so schön in der Welt des Reichen, so angenehm, so leicht.
Der Arme risse ihn aus seiner schönen Welt, wenn er ihn wirklich wahrnehmen würde.
Das will er nicht. Er sieht weg.
Wenn man nicht hinsieht, kann man leichter so tun, als gäbe es diesen Lazarus gar nicht.

Menschen, die Hilfe brauchen, die uns unbequem sind, übersehen.
Probleme ignorieren, die, würde man sie angehen, Mühe und Veränderung bedeuten würden.
Lieber leicht und angenehm weiter leben…

Der Reiche ist eine absolute Negativfigur. Es ist nicht schön, Ähnlichkeiten mit ihm zu entdecken. Aber als absolute Negativfigur zeigt er deutlich, was Gott will: Menschen, die sich Armut und Krankheit aussetzen und zupacken und tun, was sie vermögen – nicht mehr, aber auch nicht weniger.
Der Reiche zeigt auch, was Jesus an vielen Stellen gerade im Lukasevangelium sagt: Reichtum kann gefährlich sein, weil er das Herz gefangen nehmen, weil er dazu verleiten kann, die Welt nur noch eingeschränkt wahrzunehmen und auf andere herabzusehen.

Normalerweise ist es doch so: Wer Geld hat, zählt. Seinen Namen kennt man.
Wer arm ist, ist egal. Wie er heißt, ist uninteressant.
Bei so manchem Fernsehformat werden Arme sogar vorgeführt oder lächerlich gemacht.
In dieser Geschichte ist es umgekehrt: Der Reiche hat keinen Namen.
Der Arme schon – er heißt Lazarus.
So zeigt Jesus, wer für ihn wichtig ist.

Lazarus stirbt und wird von den Engeln in den Schoß Abrahams getragen – also dorthin, wo es ihm gut geht, Fülle und Freude ist, wo ihm nichts mehr fehlt.
Er wird für das Unglück in seinem Leben entschädigt.
Der Reiche dagegen schmort im Höllenfeuer.
Irritierend, dieses Höllenfeuer.
Will Gott wirklich, dass Menschen darin für immer leiden?
Oder ist es gerecht, dass der eine nach so viel Glück im Diesseits jetzt mal leidet und für seine Herzlosigkeit bestraft und der andere entschädigt wird? Dass es nicht gleichgültig ist, wie wir handeln?
Das Leiden von Lazarus hätte der Reiche leicht lindern können. Er hat es nicht getan.
Und selbst jetzt sieht er immer noch nicht, was bei ihm falsch läuft.
Er behandelt Lazarus immer noch wie einen Dienstboten und will über ihn verfügen.
Abraham soll ihn schicken, damit er etwas Wasser bekommt.
Er sagt nicht: „Lazarus, es tut mir leid, dass ich mich nicht um dich gekümmert habe. Bitte, kannst du trotzdem mir etwas Wasser geben?“ Nein, ihm tut nichts leid, er will nur nicht mehr leiden.
Als Abraham seine Bitte ablehnt, soll er Lazarus auf die Erde schicken, um die Brüder des Reichen zu warnen. Auch dabei geht es dem Reichen keinen Moment um die anderen Lazarusse auf der Erde, die Hilfe brauchen. Es geht ihm nur um seine Brüder, die nicht leiden sollen. Zu mehr Liebe ist er nicht fähig.
Auch diese Bitte lehnt Abraham ab. In der Thora, der Bibel des jüdischen Volkes, steht schon alles, was man wissen muss. Ein hartes Herz wird sich nicht dadurch erweichen lassen, dass ein Toter wieder aufersteht und sie warnt.
Sagt nicht, ihr hättet es nicht gewusst.

Der Reiche ist in der Hölle so egoistisch wie auf der Erde.
Ich verstehe, dass die Geschichte unser Verhalten hier auf der Erde verändern möchte.
Aber geht das wirklich durch eine Drohung, durch den Ausblick in der Hölle zu landen?
Vielleicht braucht es so drastische Worte, wenn das ganze des Lebens auf dem Spiel steht – nicht nur das eigene, sondern auch das der vielen Lazarusse dieser Welt.
Vielleicht brauchen auch die Lazarusse so deutliche Worte, damit sie wissen, dass Gott auf ihrer Seite ist.
Die Reichen und Mächtigen sind ja oft sehr geschickt darin, den anderen allein die Verantwortung für ihr Ergehen zuzuschreiben und die Verhältnisse zu rechtfertigen – auch als Gottes Willen.
Vielleicht brauchen wir so deutliche Worte, damit auch wir uns nicht täuschen und einlullen lassen von dem Gerede und der öffentlichen Meinung, wer wichtig ist.
Lazarus ist wichtig. Seinen Namen vergisst Gott nicht.
Die in bitterer Not leben, die Leidenden an Leib oder Seele sind wichtig.
Ihre Namen vergisst Gott nicht.
Deutliche Worte sind manchmal notwendig, um uns aufzurütteln.
Damit wir es anders machen – um der Lazarusse willen und um unsertwillen.
Denn darum geht es Jesus.
Und weil wir darauf vertrauen können, dass Jesus Gutes für uns will, können wir auch seine mahnenden Worte hören – und beherzigen.

Amen.

Die Jahreslosung 2024

Alles, was ihr tut, geschehe in Liebe.

1. Korinther 16,14